Ebenso Schädlich Wie Falsch
"Es gibt eine ganz bestimme Form, dem Evangelium zu folgen, die geradezu grausam ist. Sie ist zwar nicht so gemeint, aber dennoch ist sie es. Sie meint, Gottes Gnade zu verherrlichen - und tut doch beinahe das Gegenteil, indem sie das Problem der Sünde herabspielt und so die Sache Gottes aus dem Blick verliert. Das hat zweierlei Folgen: denn erstens macht sie das Wirken der Gnade kleiner als es ist, und zweitens läßt sie dem Menschen nur ein Evangelium, das zu klein ist, seine Fülle an Bedürfnissen wirklich zu umfassen. ...
Der Irrtum, über den wir hier sprechen, ist auf eine übermäßige Betonung des Unterschiedes zurückzuführen, den es ausmacht, wenn man zum Christen wird. Und das wird biblisch begründet. Der Mensch erhält Vergebung seiner Sünden, inneren Frieden, Vertrautheit mit Gott als seinem Vater. Durch die Kraft des Heiligen Geistes, der ihm nunmehr innewohnt, wird er fähig, die Sünden zu meistern, die ihn zuvor beherrscht hatten. Gottes Licht und Leitung wird ihn durch Orientierungsprobleme, Fragen der Selbsterfüllung, persönlicher Beziehungen, Herzenswünsche und anderes, was bis dahin unlösbar war, hindurchgeleiten. Im Ganzen sind das, so gesehen, Fragen biblischer Gewissheit. Gott sei Dank sind sie es.
Aber man kann das auch überziehen, und dann verschließt man sich vor der rauheren Seiten des Christenlebens, vor der täglichen Mühe, dem ständigen Kampf gegen Sünde und Satan, dem Dunkel, das einen manchmal umgibt. So entsteht dann der falsche Eindruck, das Leben eines Christen sei ein Bett von Rosen, ein Zustand, in welchem stets und überall alles völlig in Ordnung ist und keinerlei Problem mehr existiert. Sollte doch noch eines auftauchen, so bräuchte man es nur rasch vor den Thron der Gnade zu bringen, und schon wäre es verschwunden. Man würde sich in den Gedanken wiegen, die Welt, das Fleisch, der Teufel vermöchten nichts mehr, ist man erst Christ geworden. Kein Umstand, keine persönliche Beziehung könnten mehr Sorgen machen. Solche Erwartungen sind ebenso schädlich wie falsch."
J. I. Packer, Gott Erkennen, (1977), s. 228-229.
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