In einer Folge des Podcasts "Life, Books and Everything" hat Kevin DeYoung die Frage gestellt, "Wieso sind die Themen, die Gemeinden gerade am meisten herausfordern oder gar spalten, nicht theologische Themen, sondern andere?"
Die Frage hat mich so interessiert, dass ich die Podcast ausgeschaltet habe, und nachdenklich weiter gejoggt bin, denn ich wollte zuerst darüber nachdenken, bevor ich DeYoungs Gedanken dazu höre.
Obwohl DeYoung die Frage für seinen Kontext in Amerika gestellt hat, gilt sie uns in Europa. Worüber streiten Christen bei uns? Corona, Klima, Flüchtlingspolitik, AFD...
Wieso wirken diese Fragen so spaltend?
Vielleicht gibt's erstmal eine positive Antwort. Vielleicht liegt uns der Wohl der Stadt und der Welt mehr am Herzen als in vergangenen Jahren. Im Licht von Gottes allgemeiner Gnade wollen wir, dass es Menschen jetzt gut geht. Deswegen streiten wir drüber, wie man das am besten handhabt. Aber das ist bestimmt keine Gesamtantwort.
Beim Laufen sind mir fünf andere Faktoren eingefallen:
1) Wir haben unsere Identität in Jesus vergessen.
Das Neue Testament nennt uns Menschen, die "in Christus" sind. Christus ist unser Leben geworden (Kol 3:1-3). Was mich am meisten definiert, die tiefste Selbsterkenntnis, die ich haben kann: Ich bin eins mit Jesus.
2) Wir haben unsere Identität als Gemeinde in Jesus vergessen.
Diese Identität in Christus ist kein Privileg für einzelne Christen, sondern das Privileg eines jeden Christen. Was ich bin, bist du auch. Daher kann ich mich nicht über dich erheben, denn wir haben dieselbe Identität in Christus. Wir sind Brüder und Schwester Christi, zusammen vom Geist belebt, vom Vater adoptiert. Wir haben eine Taufe, einen Glauben und eine Familienmahlzeit (Eph 4:1-6). Meine engste Familie ist nicht meinVerein, meine politische Partei, oder gar meine natürliche Familie, sondern meine Glaubensschwester. Das leben wir in der Zugehörigkeit einer Ortsgemeinde aus.
3) Wir haben unsere Hoffnungen und Ängste zu sehr auf dieses irdische Leben gesetzt.
Als ob wir das Recht auf ein bequemes Leben ohne Schmerz hätten. Wir sehen uns nicht mehr als Pilgern und Exilen im Land des Todes, sondern suchen eine Dauerresidenz.
4) Wir haben unsere eigenen Erkenntnisse zu hoch eingeschätzt.
Woher kann ich sicher sein, dass ich besser die Tatsachen besser begreife, als die, die politisch anders denken?
Im Judasbrief lesen wir von Menschen, die die Gnade Gottes missbrauchen und unseren "einzigen Meister und Herrn Jesus Christus leugnen" (Judas 4). Wenn wir die gelebte, tagtägliche Einheit der Ortsgemeinde über Dinge spalten, die nicht direkt mit dem Evangelium zusammenstehen, leugnen wir die Herrschaft Christi über uns. Wir leben als ob, unsere erste Loyalität jemandem anderen als Jesus gehört. Als ob eine andere Gruppenidentität grundliegender für uns ist. Als ob wir frei wären, selbst zu entscheiden, wen wir lieben und als Familienmitglied haben wollen.
5) Wir setzten das voraus, was wir eigentlich feiern sollen.
Die ersten vier Punkte scheinen mir eine Quelle zu haben. Wir haben etwas für selbstverständlich gehalten, was eigentlich im Zentrum gehört. Ich mag hier falsch liegen, aber es kommt mir häufig vor, als ob unser größtes Problem in europäischen evangelikalen Gemeinden ist, dass wir das Evangelium als selbstverständlich betrachten. Etwas anders begeistert uns, bekommt unsere Aufmerksamkeit und Energie.
Und wenn das Evangelium, das unsere Einheit schafft, zur Seite gelassen wird, wird nichts anderes uns alle zusammenhalten können. Der Weg zurück ist also der Weg zum Kreuz Christi, wo Gott sich über uns erbarmt hat, und unsere Schuld und Sünde ein für allemal getilgt hat. Dort in Jesu Selbstaufopferung finden wir Leben zusammen. Dort sehen wir wieder, dass Jesus Christus uns vereint hat.
Wenn wir dann feiern, wie Gott uns zusammen gefügt hat, wird es viel schwieriger sein, uns von einander trennen können.
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